Im Kreis sitzen - Ein Fachartikel von Judith Gähler

Zurzeit erforsche ich mit meiner MAS-Arbeit, ob durch die Anwendung von Art of Hosting and Harvesting Conversations that matter bei Beratungsanlässen ein Mehrwert in der Organisation und deren Mitarbeitenden entsteht. Die Auswertung meiner gesammelten Daten steht noch an. Nichtsdestotrotz schreibe ich heute über eine Erfahrung, die mich sehr gefreut hat. 

Nachdem mein Auftraggeber vergeblich versucht hatte, sein Umfeld zu motivieren, sich auf eine Veränderung einzulassen, engagierte er mich mit dem Auftrag, im betroffenen Umfeld an mehreren partizipativen Anlässen den Wandlungsbedarf aufzuzeigen und die Wandlungsbereitschaft zu initiieren.

 

Da ich nur wenig bis kein Wissen zum Arbeitskontext von meinem Klientensystem hatte, bereiteten wir die Anlässe mit einer Gruppe (Hosting-Team) vor. Nach der Zielklärung erarbeitete ich ein Drehbuch. Dabei fragte ich mich, ob ich es wagen kann, mit dem Sitzkreis – der Urmethode von Art of Hosting – in die Anlässe einzusteigen, zumal auch mein Hosting-Partner eher kritisch dazu stand: «Willst du wirklich mit 35 Personen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen und vorwiegend Männern in der zweiten Lebenshälfte in einen Kreis sitzen?»

 

Ja, ich wollte. Zu Beginn war es spürbar, dass sich nicht alle gewohnt waren, sich im Kreis über ein Thema zu äussern, und im wahrsten Sinne der Worte etwas von sich in die Mitte zu legen. Nach anfänglicher Zurückhaltung wurde der Austausch im Kreis immer mehr geschätzt, so dass mein Auftraggeber für den letzten Anlässe wünschte wieder in dieser Form zu starten. Es gebe einfach eine bessere Atmosphäre, so seine Aussage. Es war sehr spannend zu beobachten, wie sich die Dialoge zwischen den Teilnehmenden während des Prozesses verändert haben. Natürlich gab es auch den einen oder anderen Spruch über das «Sitzkreisli», aber alle haben sich darauf eingelassen. In der Schlussrunde am letzten Anlass wurde mehrmals erwähnt, wie durch den Austausch Vertrauen entstanden sei, und wie man nun bereit sei, etwas Neues anzugehen. Ich wage mal zu behaupten, dass unter anderem auch der Kreis dazu einen Beitrag geleistet hat.

 

Was aber macht die Magie des Kreises aus?

Zum einen ist es wohl die Urmethode, wie Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Seit der Steinzeit ist der Homo Sapiens dieser mächtig und bei indigenen Gesellschaften ist sie noch heute zu finden. Das Feuer machte den Jäger und Sammler nicht nur zum mächtigsten Erdenbewohner, sondern auch seine sprachlichen, sozialen und handwerklichen Fähigkeiten wurden am Feuer weiterentwickelt. Am Feuer fand kollaboratives Lernen statt. Mit der Einführung formellen Strukturen und Hierarchien verschwand die Kreis-Methode aus unserem Repertoire, wie wir vor langer Zeit zu Entscheidungen gelangt sind. Nichtsdestotrotz, wenn sich Menschen um eine zentrale Mitte im Kreis ordnen, hat das oft etwas Natürliches und Entschleunigendes. Irgendwo in unserem Gehirn scheinen wir die Methode immer noch verankert zu haben (Quellen: Harai, 2013; Eine kurze Geschichte der Menschheit / Baldwin &

Linnea, 2014; Circle: Die Kraft des Kreises). Die erwähnten Beratungsanlässe und ihr erfolgreicher Ausgang haben dies deutlich gezeigt.

 

 

Judith Gähler – Gemeinde-Support AG